Provokationsschreiben – Stadtratsbeschluss – Infoveranstaltung – ein erstes Fazit

Die Infoveranstaltung vom 14. Juli bildet zunächst den letzten Hammerschlag im ganzen Startprozess zur Abklärung, ob das ganze Quartier mit über 30 Liegenschaften unter Schutz gestellt werden soll. Nun zeigen sich auch die ersten damit verbundenen Kollateralschäden.

Provokationsschreiben an die Bewohner [PDF]

Ausgelöst hat das Ganze ein Provokationsschreiben von einem Mieter und einem Grundeigentümer. Ersterer konnte sich nicht damit abfinden, dass vom Balkon des geplanten Neubaus ein Einblick in seinen Garten möglich würde. Stossend ist, dass schlussendlich 3 Grundeigentümer die restlichen in Sippenhaft nehmen konnten und nun alle dem Diktat der Denkmalpflege unterworfen werden. Das widerspricht dem Rechtsempfinden vieler betroffener und ist auch für viele Leute aus der Baubranche und Architekturszene nicht nachvollziehbar.

Bei Entscheidungen mit solcher Tragweite hätte man sich ein breiteres Mitwirkungsverfahren gewünscht. Mangelnde Sozialkompetenz oder purer Egoismus standen wohl einer solchen Vernehmlassung im Quartier im Wege. Ein weiteres Armutszeugnis ist, dass die Verfasser die drei jungen Familien nicht über ihr Vorhaben informiert haben und auch nicht das Gespräch mit ihnen gesucht hatten.

Was die Abklärung mit sich bringt, kann man dem Stadtratsbeschluss entnehmen.

Stadtratsbeschluss bezüglich Burchdörfli [PDF]

Irritierend ist, dass der Stadtrat im Juli 2018 mit dem Heimatschutz eine Lösung gefunden hat, die überbordende unter Schutzstellung von Objekten in der Stadt Zürich in die Schranken zu weisen und die BZO 2016 in Kraft zu setzen. Wenn nun durch die Hintertür die vom Heimatschutz im Fokus stehenden Objekte trotzdem wieder unter Schutz gestellt werden sollen, so steht das diametral zum Konzept der Rechtssicherheit. Eine 180 Grad Wende wäre den Bürgerinnen und Bürgern wohl schwer erklärbar.

Ob das ganze Gebiet unter Schutz gestellt werden soll, wird nun die Denkmalpflege klären und zuhanden des Stadtrats eine Empfehlung schreiben. Mit dem sehr weiten Kategorienraster wird sie viele Gründe finden, die für eine Unterschutzstellung sprechen. Es ist eine Ermessensfrage, wie viele Zeitzeugen aus einer Epoche in einer Gemeinde erhalten sein müssten. Die Epoche der Industrialisierung in der Stadt Zürich ist an vielen Orten bereits prominent vertreten. Schlussendlich geht es um eine Güterabwägung. ökologischer und sozialverträglicher Wohnungsbau für junge Familien oder Liebhaberobjekte für finanziell privilegierte Leute.

Die Stimmung an der Infoveranstaltung für die Bewohner und Grundeigentümer zeigte grosse Ähnlichkeiten mit dem, was die Leute vom Asphof erlebt haben. Seitens des Denkmalschutzes wurden schöne Bilder präsentiert, beschwichtigt und schön geredet. Bilder von Häusern, die bereits verändert wurden, kamen nicht in die Präsentation. Dass bereits ein Wohnblock ein Burchhaus abgelöst hat, war auch kein Thema. Auffallend war, dass gar keine positiven Wortmeldungen zum Verfahren kamen seitens der Bewohner und Grundeigentümer. Durchs Band meldeten sich die Leute mit kritischen Fragen und äusserten ihre Bedenken und Sorgen bezüglich der Unterschutzstellung. Leider hatten sich die Antragssteller und Initianten des Verfahrens nicht weiter zu ihrer Motivation geäussert.

Fazit zur ersten Runde zur Unterschutzstellung des Burchdörflis:

  1. Ein Bauvorhaben stand kurz vor der Baueingabe. Dieses ist nun auf Eis gelegt und der Architekt beantragt Kurzarbeit. Die Bauteuerung läuft und wenn die Unterschutzstellung in der gewünschten Form kommt, sind alle Vorarbeiten für die Katz.
  2. Ein weiteres Bauprojekt wurde in Folge Corona zurückgestellt und stand nun ebenfalls vor der Realisierung. Bei einem Totalausfall ist der Bauherr mit grossen finanziellen Ausfällen konfrontiert.
  3. Für das Bauvorhaben der drei jungen Familien war die Baueingabe bereits erfolgt. Auch hier läuft die Bauteuerung und kommt die Unterschutzstellung durch, dann sind alle Vorarbeiten und Projektierungskosten von über 60’000.- CHF in den Sand gesetzt.
  4. Die kleinen Kinder der betroffenen Familien werden nun in ihrem Start im Kindergarten und der Schule Friktionen hinnehmen müssen, da sich der allfällige Umzugstermin nach hinten schiebt.
  5. Eine junge Familie, die vor ein paar Jahren ein Haus erworben hat, plante verschiedene Erneuerungsarbeiten. Alle Arbeiten müssen sistiert werden. Kommt die Unterschutzstellung, sitzt der Denkmalschutz bei der Planung mit am Tisch und wird sich bezüglich denkmalschutzkonformer Bodenbeläge einmischen.
  6. Für eine Liegenschaft wurde ein neuer Zaun bestellt und bereits bezahlt. Ausnahmsweise durften diese Grundeigentümer, das Projekt noch abschliessen.
  7. Eine Familie hatte ihr Haus auf Homegate zum Verkauf ausgeschrieben. Mit der drohenden Unterschutzstellung sinkt der Kreis der Interessenten. Ein valabler Interessent ist bereits abgesprungen, als er erfuhr, dass das Haus möglicherweise unter Schutz gestellt wird.
  8. Ironie der Geschichte. Eine Mitunterzeichnerin des Antrags auf Unterschutzstellung hat exakt vor der Mitteilung des Stadtratsbeschlusses mit dem Veränderungsverbot noch das Badezimmer total saniert und ist nun vom Baustopp nicht betroffen.
  9. Wie sich an der Informationsveranstaltung gezeigt hat, überwiegen die negativen Gefühle bezüglich der Abklärung und der Unterschutzstellung. Das Vorgehen ist nicht von einem grossen Teil der Bewohner und Eigentümer getragen. Dementsprechend negativ ist die Haltung den Personen gegenüber, die das alles initiiert haben. Nun geht ein Graben durchs Quartier.

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